 Vertikalzeppelin, erdgebunden


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...und hat diesen Thread vor 6486 Tagen gestartet!
| Fahrzeuge 1. Landcruiser HZJ105  2. Volvo XC90  3. Mitsubishi Pajero V60 3.2DI-D 4. Opel Monty 3.5 V6 LPG  5. Air Patrol 2.0 Rallye  |
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Verfasst am: 13.04.2011 15:20:20 Titel: |
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flashman hat folgendes geschrieben: | Im nächsten Teil erfahren Sie von Fliegenplagen, Kupplungswahnsinn, romantischen Sternenhimmel, Feuerbällen am Horizont, einem Kaktus in meinem Rücken und vieles vieles mehr. Wenn ich es schaffe, kommt Teil III schon dieses Wochenende. :-) |
Da erinnerte man mich doch daran, dass ich diesen Bericht nie fertig geschrieben hatte. Nun, bei Geschichten ist es wie mit einem guten Wein. Je älter sie sind, desto besser werden sie. Dreieinhalb Jahre sind eine gute Zeit, um Erinnerungen so nachreifen zu lassen, dass nur noch die betörendes Essenz der Gedanken übrig bleibt. Man kann sich kürzer fassen und mehr der Phantasie des Lesers überlassen. Mehr Platz für eigene Inspirationen für das Abenteuer Reise.
Der Defekt der Kupplung hatte mich ganz schön mitgenommen. Das erste mal Wüste und gleich so ein Desaster. Aber wir waren als Team unterwegs und lösten Probleme gemeinsam. Während Bondi Abendessen vorbereitete, lag Averell schon unterm Auto und beäugte das Maleur. Ich gesellte mich alsbald dazu. Wir beschlossen, den Wechsel am Morgen anzugehen. So aßen wir, betrachteten das nahe Bohrfeuer und schliefen vorm nächtlichen leichten Nieselregen geschützt in Zelt, Auto und Dachzelt.
Die Kupplung bei einem "Merc" zu wechseln, ist eigentlich relativ einfach. Das Hauptgetriebe ist nicht schwer und vom Verteilergetriebe durch eine Welle getrennt. Aber man braucht zum Wechseln unter anderem einen Zentrierdorn und genau den hatten wir nicht. Es wurde eine tagesfüllende Aufgabe bei brütender Hitze und tausenden von Fliegen, die unsere Gesichter als Landeplatz auserkoren hatten. Jones, Averell und ich würgten von allen Seiten am Fahrzeug und ca. um 15 Uhr am Nachmittag war der G wieder fahrbereit. Ich war zu diesem Zeitpunkt kurz vor einem Kreislauf-Aussetzer. Naja, dicker Junge Flashi, die Hitze, die Anstrengung. Eine kalte Dusche aus dem Dreiraum und Tabletten brachten mir wieder Wohlbefinden und wir konnten unseren Weg endlich fortsetzen.
Unser Weg kreuzte einige Ruinen und ein Bohrcamp, immer weiter Richtung Süden folgend. Aufgrund der kurzen verbliebenden Sonnenzeit, kamen wir nicht wirklich weit und schlugen unser Nachtlager in einem kleinen Dünenfeld auf, in dem wir uns auch kurz vorher leicht festgefahren hatten. Wir waren nun in allen Richtungen in der Ferne von Bohrfeuern umgeben und Averell stellte fest, dass die Kühlbox gemuckt hatte und die Hähnchenfleischvorräte nunmehr ungenießbar waren. Wir entsorgten sie entfernt vom Camp, richteten uns für die Nacht ein, nahmen ein oder zwei Anis-Schnäpse und ein extrem leckeres Nudelgericht gekocht von Doro und Jones zu uns. Dann war es schon wieder nach Mitternacht und Zeit, etwas Schlaf und Ruhe für den nächsten Tag zu tanken. Die Gegend hier fühlte sich seltsam spannend an. So weit weg von allem Bekannten, irgendwo im gesperrten Süden Tunesien, an den Ausläufern der Mutter aller Wüsten...Es war angenehm warm und ein leichter Wind wehte ans Zelt.
Der nächste Tag, pünktlich zum Frühstück begann der Angriff der Killerfliegen :-)
Unser heutiges Tagesziel war Borj El Khadra - Der südlichste Punkt Tunesiens. Dabei schafften wir es zwischenzeitlich sogar, die Piste zu verlieren und nach einigen Kilometer Querfeldein wiederzufinden. Unser Zwischenziel war Tieret, eine Tankstelle beim Militär. Dort gab es Benzin, Diesel und ne Flasche Gratis-Wasser :-) Aber ab hier war die Piste auch eine echte Herausforderung. Wir hatten alles: Von tiefem weichen Sand bis hin zu Wellblech-Horror, wie man ihn immer beschrieben bekommt und nie zu glauben vermag. Aber ja, da rüttelt es einem die Stützstrümpfe aus der Hose. Bei mir lösten sich einige Anzeigen vom Armaturenbrett, dennoch genoss ich die Fahrt auf der Waschmaschine im Schleudergang. Denn am Horizont sah man die gelobte Stadt - Borj El Khadra, Heim des Militärs und eines Cafes, wo wir einkehren würden. Auch das Dreiländereck Tunesien - Libyen - Algerien genannt. Dort kommt eigentlich kaum ein Einheimischer jemals hin.
Wir klärten den Papierkram, tranken eine oder zwei Coca Cola im Cafe 07. November, ich fiel in einen Kaktus und musst von Averell entstachelt werden, dann setzen wir uns gen Nord-Nord-West in Bewegung, um den langen Weg an der algerischen Grenze gen Norden zu beginnen und baldigst mit der fallenden Sonne unser Nachtlager einzurichten. Wir trafen nun auf große Dünen, schöne Dünen und fuhren uns gleich mal romantisch kurz vor einer schönen Steilabfahrt fest. Da Jones und Doro schon unten waren, mussten das Dreiraum und ich uns gegenseitig freikämpfen. Dank Schaufel und gelang das auch und wir erreichten in der Dunkelheit eine schöne flache Ebene, ideal zum Camping.
In dieser Nacht besuchte ich Mutter Naturs Hygienebereich mehr als einmal, da das leckere aber scharfe Abendmahl der Dreiraums meinen Magen leicht irritiert hatte. :-)
Den Abend ansich beendete ich mit einer nächtlichen Dusche am Fahrzeug und genoss das kühle Wasser aus dem Schweizer Armee-Wasser-Sack. Ich wusste nun, dass alles gut werden würde und wir hier sicher waren. Die Kupplung hatte sich nicht mehr gemeldet, der G funktionierte, abgesehen von seinem schwachen Motor, ausgezeichnet.
Die folgenden Tage folgten wir dem Grenzverlauf in respektvollem Abstand. Wir fuhren über dutzende von Dünen, viele leichte Steilabfahrten, einige Steckenbleiber. Die Camps suchte Averell meist an exponiert schönen Stellen aus, so dass wir immer einen herrlichen Nacht-Ausblick hatten. Ich erinnere mich auch an gutes Essen am Abend, angeregte Gespräche und viel Sternenhimmel-Glotzen. Tagsüber erkundeten wir Besonderheiten, die an unserem Weg lagen, fotografierten viel. Es war noch immer heiß, die Sonne lachte uns bei bis zu 35 Grad ins Gesicht.
Irgendwann erreichten wir ein weiteres geplantes Zwischenziel. "Den Brunnen". Wenn Leute über den Brunnen sprechen, meinen sie eine artesische Quelle, die als Ergebnis einer Kühlbohrung entstand, in einer Steinwanne mündet und kontinuierlich warmes mineralisch hoch angereichertes Wasser ausspuckt. Als wir ankamen, war gerade ein Berber mit seinen Kamelen da. Wir foppten die Kamele durch unsere Präsenz und nahmen ein "warmes" Bad. Dort entstand auch das Foto unten, auf dem sich mir ein Kamel auf romantische Art und Weise näherte.
Pitschnass aber happy as usual ging es weiter. Vom Brunnen an, war die Piste zur Ölbohrstadt El Borma (das Texas Tunesiens) vielspurig und wir gaben unseren Fahrzeugen die Sporen. Das ging nicht lange gut, denn dank des weichen Sandes, brauchten wir regelmäßig Kühlungspausen. Außer der TD5 von Doro und Jones, er bleib unbeeindruckt und triumphierte über Wüste, Sand und Sonne. Mein G wiederum urinierte in Top Gear Tradition bei jedem Halt einige Milliliter Kühlwasser in den Wüstensand. Das war aber nicht tragisch.
El Borma - Hunderte von Rohrleitungen, Türme voller Feuer, wir wollten unsere Reifen wieder aufpumpen, bevor wir festen Untergrund erreichen. Die Piste vorher fuhren wir mit abgesenktem Luftdruck für bessere Traktion. Leider rächte sich nun die fernöstliche Markenqualität und unsere baugleichen Doppelkolbenkompressoren starben im Abstand von genau einer Minute einen nicht sonderlich ruhmhaften Tod. Ich glaube, nun kam eine alte Fusspumpe zum Einsatz...kann mich aber zugegebenermaßen nicht genau erinnern.
Wir würden in El Borma nur kurz bei der Nationalgarde Hallo sagen und uns dann für das Nachtlager ein Stück weiter nördlich an der algerischen Grenze ins beginnende Erg vorkämpfen. Leider fanden wir am Abend keinen Ansprechpartner mehr und starteten direkt durch zum Camp. Auf dem Weg trafen wir die Vortour der Wüstenrally "Grand Erg" und einen Tag später, nachdem wir nahe eines nunmehr trockenen Sees gerastet hatten, trafen wir sie auf dem Rückweg wieder. Mein G zeigte just an dieser Stelle seine größte Schwäche: Drehmoment. Ein Berg sollte für mich zur nervenaufreibenden Herausforderung werden. Egal welchen Gang ich nutzte oder wieviel Anlauf, ich kam nicht hoch. Erst als ich im ersten Gang mit über 7000rpm fuhr, der Motor schon spotzte, reichte die Kraft und der Schwung aus. Der kleine Benziner war mit seiner Kraft eindeutig über seine Grenzen gegangen - Hatte es aber letztendlich geschafft.
Wir erreichten abermals El Borma, wechselten an der Tankstelle mein linkes Hinterrad, da dessen Felge / Reifen einen Schlag zu haben schien (wahrscheinlich vom Pistenrasen am Vortag, wo ich übermütig viel Spass hatte: http://www.youtube.com/watch?v=llO-U5FO4A0 ). Dann ging es auf Piste Richtung Osten. Wir wollten uns der Pipelinepiste anschließen und der Pipeline direkt folgen.
Daraus wurde nichts...Shame on me. Beim Winchen an der ersten Auffahrt knickte meine Stoßstange nach vorne weg und wir brachen diese Route (leider) ab. Anstattdessen folgten wir der Nordpiste, die uns letztendlich nach Ksar Ghilane führen würde. Aber das war noch etwas hin, viele Kilometer und Erlebnisse sollten noch folgen.
Am Abend verließen wir die Piste Richtung Westen, um unser Nachtlager nahe eines Erg-Ausläufers (Grand Erg Oriental) zu suchen. Auf dem Weg dahin trafen wir einheimische Bauern, deren Traktor einen Platten hatte. Ein lange Geschichte kurz gemacht: Das Dreiraum schnappte sich den einen Bauern, fuhr mit ihm zur Hauptpiste auf einen Tafelberg, er telefonierte mit dem Handy nach Hilfe, alle kamen zurück und wir konnten ruhigen Gewissens und ausgerüstet mit 1kg Dankesdatteln unseren Weg fortsetzen. Es wurde allerdings sehr schnell dunkel und wir beschlossen etwas schneller zu fahren. Das dort ansässige Kamelgras rächte sich am Dreiraum und führte zu einem schleichenden Plattfuss, den wir aber erst viel später bemerkten. Wir erreichten das Erg, das Dreiraum fuhr in eine Senke, kam nicht mehr raus, brach sich eine Steckwelle ab, wir begannen mit der Bergung und zwei lange Stunden später standen alle wieder auf festem Untergrund. Musik spielte aus dem blau erleuchteten G und mit der permanenten Ansgt vor Mini-Skorpionen, die dort ihr Unwesen trieben, wechselten wir das Rad. Was es genau zu essen gab, weiss ich grade nicht mehr.
Nächter Tag. Sonne, Wärme und als Tagesziel Ksar Ghilane, jene sagenumwobende Wüstenoase. Das Dreiraum war nunmehr als Hecktriebler unterwegs, was aber auf der Piste (eher Wüstenweg) meistens kein Problem darstellte. Und falls doch mal nichts mehr ging, waren Doro+Jones oder ich schnell mit dem Gurt zur Stelle. Ein eingespieltes Team quasi. So erreichten wir die Oase am Nachmittag, ließen uns nieder, duschten, aßen wie Gott in Tunesien und planten unseren nächsten Schachzug.
Zwischenzeitlich war ein weiteres Rad am Dreiraum platt, alle Reparaturversuche schlugen fehl und wir entschlossen uns, Jones etwas kleineres Rad für die Straßenüberführung nach Douz zu montieren und (logischerweise) nicht Offroad dorthin zu fahren. So erreichten wir am nächsten Tag Douz mit Einbruch der Nacht.
Douz, der Camping Desert Club. Toiletten, Katzen, Datteln, eine Stadt. Wir fanden Einheimische, die eine neue Steckwelle organisieren konnten und sie auch gleich einbauten. Das Dreiraum war wieder fit und wir erkundeten zwischenzeitlich die Stadt, aßen und ich besorgte mit der EC karte neues Geld "am Reiter". Abends gaben wir uns die Kannte mit einer Monsterportion Brick, während Jones und Doro alleine auf die Suche nach einem Sandrosenfeld fuhren....Und erst sehr spät am Abend wiederkamen. Der Trip war doch etwas umfangreicher als geplant und das Gelände schwerer, als erhofft. Dafür gabs ein geiles Video vom Nachtfahren über Dünen: http://www.youtube.com/watch?v=rci8hKOKLVQ
Wir traten dann unsere entgültige Heimreise an. Auf Straße gen Norden, immer Tunis im Auge. Ein letztes Schlafen auf dem Campingplatz in Hammamet, dann ging es auf die Carthage und über das Mittelmehr zurück auf den europäischen Kontinent. Wir saßen gemeinsam am Heck des Schiffes, tranken Heineken und philosphierten über die letzten Tage.
Heimreise auf Strasse, nix Besonderes, nur viel kälter als in Afrika. Ich fuhr weiter bis zu Tanja und Baloo, die mich schon in den frühen Morgenstunden erwarteten. Da mein G keine funktionierende Tankuhr mehr hatte, blieb ich auf der Autobahn ohne Sprit liegen, konnte aber vom Zusatztank aus genug umpumpen.
Resumé: Ein traumhafter Urlaub mit super Leuten, der einfach alles hatte. Abenteuer, ein neues Land, ein neuer Kulturkreis, unglaublich viele Impressionen, Erlebnisse und Emotionen. Und er hat Lust auf mehr gemacht. Mehr von der Welt zu sehen und Tunesien auf jeden Fall wieder zu besuchen. Mein G hat mich, trotz einiger Probleme, gut heim gebracht. Sein Motor starb einige Tage später kurz vor Berlin, als ein Kolben durchbrannte.
Einzelimpressionen
Cafe 7. November Borj El Khadra
Im Brunnen:
Bei Jones am Haken - Pipelinpiste nach El Borma
Eine Portion Brick für alle
Und sorry für die kleine Verspätung des restlichen Reiseberichts
Ich war inzwischen nochmal in Tunesien und hab nachgeschaut, ob noch alles da ist.  | _________________ Leben ist draußen. Denn wer das Abenteuer sucht, darf den Luxus nicht fürchten.
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