 Club der Ehemaligen
Status: Immer da - Ehrlich Du bist daheim :-)
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Verfasst am: 23.09.2006 01:49:32 Titel: Alles wegn de Leut..... |
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Alles wegn de Leut
Wir sind, glaub ich, nur auf der Welt
Wegn de Leut.
Wir tun oft, was uns nicht gefällt,
Wegn de Leut.
Wir richten uns nie nach dem eignen Behagn,
Stets denkn wir: Was werdn wohl die Leute dazu sagn?
Wir gehn auf den Ball, üben Wohltätigkeit,
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.
Wir gebn Soireen sehr fein
Wegn de Leut.
Wir laden die Leute uns ein
Wegn de Leut.
Wir kriegen Besuche von Hinz und von Kunz,
Selbst wenn wir bei uns sind, da sind wir außer uns —
Wir komm'n nie zu uns, dazu fehlt uns die Zeit —
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.
Wir schwärm'n flir die Kunstgalerie
Wegn de Leut.
Wir gehn in die Philharmonie
Wegn de Leut.
Wir schwärmen für Wagner — 's ist oft Heuchelei —
Gehn in die »Nibelungen« und schlafen ein dabei -
Im Winter in Berlin und im Sommer in Bayreuth —
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.
Wir gehn voller Schick, voller Schneid
Wegn de Leut.
Wir tragen ein Talmigeschmeid
Wegn de Leut.
Zu Haus ißt man Hering, der kost't nicht viel Geld,
Doch gehn wir mal aus, werden Austern stolz bestellt.
Dann sagn wir noch blasiert: Schon wieder Austern heut?
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.
Wir fahrn auf dem Automobil
Wegn de Leut.
Wir fahrn zu der »Woche« nach Kiel
Wegn de Leut.
Im Sommer, da wär's auch zu Hause recht schön,
Doch was würdn dann die Leute sagen — ins Bad muß man gehn.
Da gehn wir sogar baden - nicht wegn der Reinlichkeit,
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.
Beim Trauerfall heucheln wir Leid
Wegn de Leut.
Da tragn wir ein ganz schwarzes Kleid
Wegn de Leut.
Fragt jemand: »Wie geht's?«, sagt man: »Gut! Danke sehr!«
Denn wenn man sagt: »Schlecht!«, na, dann freut sich doch der.
Doch wenn man sagt: »Gut!«, ja, dann platzt er vor Neid.
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.
Die Fraun gehen immer modern
Wegn de Leut.
Wenn's Mode ist, schnürn sie sich gern
Wegn de Leut.
Ist die Frau auch so dick, sie muß rein in die Kluft -
Dann sitzt sie da beim Essen, und da kriegt sie keine Luft.
Und's Essen rutscht nicht runter, zu eng ist das Kleid -
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.
Wir sind in Gesellschaft exakt
Wegn de Leut.
Da sehn wir auf Sitte und Takt
Wegn de Leut.
Was andres ist's, was im Verborgenen geschieht,
Da könn'n wir alles machen, sobald es keiner sieht.
Es handelt sich ja gar nicht um Anständigkeit,
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.
Man hastet nach Titeln und Ruhm
Wegn de Leut.
Man hängt einen Orden sich um
Wegn de Leut.
Man fährt nach der Schweiz, kraxelt Berge hinauf,
Schreibt stolz aufAnsichtskartn: »Hier kam noch keiner rauf.«
Dann purzelt man runter, liegt unten und schreit -
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.
Man schränkt in der Liebe sich ein
Wegn de Leut.
's Herumpoussiern darf gar nicht sein
Wegn de Leut.
Kaum kennt man das Mädchen, muß man zum Altar -
Und dann tut man glücklich — und 's ist doch gar nicht wahr—
Und man kriegt drei, vier Kinder in ganz kurzer Zeit,
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.
Nun sahn Sie, was alles geschieht
Wegn de Leut.
Schaut mich an - auch ich sing dies Lied
Wegn de Leut.
Ich sing doch den Quatsch nicht zu meinem Vergnügen -
Mich würden Sie nicht zu mir in die Vorstellung rein kriegn.
Sing auch nicht wegn dem Geld, nein, das täte mir leid -
Alles wegn de Leut, wegn de Leut.
Otto Reutter
http://www.otto-reutter.de/ | |
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