 Titel geklaut...


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Verfasst am: 17.02.2006 21:36:36 Titel: Autofahrer und ihre Accessoires |
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Autofahrer und ihre Accessoires
Fährt man durch deutsche Landen, kann man hervorragend in die Innenräume der vorbeiziehenden Fahrzeuge blicken. Was man dort sieht, ermöglicht ungefilterte Rückschlüsse auf ihre Fahrer.
von Allen Dworschak
Nur auf der Toilette fühlen sich die Menschen gleichfalls unbeobachtet, deswegen kann zum Beispiel ihre Technik des Popelns studiert werden oder begutachtet werden, wie sie unter großen Schmerzen und verzerrtem Gesicht lange Einzelhaare aus Ihrer Nase entfernen. Schaut man sich genauer um, entdeckt man weitere Indizien ihres Lebens. So sind viele Innenspiegel mit diversen Utensilien behangen. Je nach Menschentypus baumeln dort Glücksbringer, Symbole oder sonstige Ärgernisse, die natürlich allesamt in einem Zusammenhang mit dem Charakter des Fahrers zu werten sind.
An jenem Spiegel eines religiösen Autofahrers, zum Beispiel, schaukelt vorzugsweise frommes Zubehör verschiedener Art. So kann man dort Rosenkränze erspähen, die lächelnde Maria, diverse Schutzpatronen oder, bei besonders Gläubigen, einen päpstlichen Nierenstein.
Ein fester Gottesglaube ist durchaus eine löbliche Eigenschaft, verstehen Sie mich nicht falsch. Doch das unreflektierte Gottvertrauen macht meiner Ansicht nach diesen Autofahrertyp zu einem gefährlichen Mitstreiter des Asphalts, auch wenn er im Andenken der Kreuzzüge mit Vorliebe Araber umfahren wird. Aber bremst der Vordermann vor ihm, bleibt er auf dem Gas auf ein Wunder hoffend; erscheint ihm eine Offenbarung, leidet häufig die Konzentration; hat er gerade keine, malt er in seine Handflächen Stigmata mit dem Zigarettenanzünder. Das Fernlicht eines entgegenkommenden Fahrzeugs hält er für ein Zeichen höherer Art und rast drauf zu. Den Stau will er im Hineinrauschen teilen wie Moses das Meer. Solche Gedanken schießen mir bei dem Anblick eines solchen Fahrers durch den Kopf, was auch mich zu einem unsicheren Teilnehmer am Straßenverkehr macht.
Ein weiteres Unding ist der so genannte Dream-Catcher, ein opalfarbener, mit Federn beschmückter Ring. Dieser wird häufig in esoterischen Kreisen verwendet, um hässlichen Albträumen endgültig zu vertreiben, ähnlich eines Exorzismus.
Was mich insofern beunruhigt, da ich mich frage, zu welchem Zeitpunkt sich der Chauffeur seinen Albträume hingibt. Die Anwesenheit dieser Glücksbringerart spricht dafür, dass er dies während des Sekundenschlafes tut, auf der Autobahn wohlgemerkt. Zum einen ist es laut einschlägigen ADAC-Studie äußerst problematisch, mit einhundertvierzig Sachen in einen friedvollen Schlafzustand zu verfallen. Zum anderen ist die Austreibung des Albtraums höchst unbefriedigend, da man aus Zeitnöten in der Handlung maximal bis zu "Aua. Nein, Papa, das tut so weh!" kommt, bevor der Kleinwagen am nächstbesten Baum zerschellt. Der Nutzen dieses Glücksbringers leuchtet mir nicht wirklich ein.
Natürlich existieren noch weitere Maskottchen. So sind diese Spiegel oft behangen von Mini-Fußbällen, die wohl auf die Begeisterung des Fahrers für diesen Sport verweisen sollen. Aber auch hier dreht sich mir der Magen, vor allem während eines Überholvorgangs dieses Fahrers. Winden sich doch stets die Stimmen der Fußballmoderatoren in seinen Ohren. "Links... Recht... Lehmann zieht nach vorne. Er bricht durch... Oh, Faul! Da hat er seinen Gegner mit einem Schlag zur Seite aus der Bahn geworfen... Fußball ist kein Schachspiel!..." Wirklich gefährlich wird es, wenn der Fahrer in Fußballträumen vertieft, auf dem Überholstreifen anfängt zu faulen.
Zu dem birgt Günther Netzer eine gewisse Gefahr. Stets mahnt er in der Halbzeit, man solle mehr in den Sturm gehen, aggressiver spielen. Das könnte unseren Fahrer zu Übermütigkeiten drängen...
Da ich mich genötigt sehe, über derart wirre Dinge während des Fahrens nachzudenken, bin ich der Auffassung, Innenspiegelschmuck gehört weg. Dringend! Man stört sich daran, wenn jemand während des Fahrens telefoniert, dabei raucht und zwischendrin an seine Cola nuckelt, ist sogar dermaßen schockiert, dass man seine Bierdose fallen lässt. Doch für das zwei-Meter-fünfzig große Originalholzkreuz von Jesus entdeckt man Verständnis. Das finde ich nicht richtig, blockiert es doch die Sicht oder schränkt sie zumindest ein.
Abschließend möchte ich zu diesem Thema sagen, dass mir die Unart Glücksbringer an seinem Auto anzubringen generell suspekt erscheint. Was sollen diese im Ernstfall bringen? Denken Sie mal nach. Stellen Sie sich vor, wie der Chauffeur sich nach hinten umblickt, freundlich das Paar anlächelt, und sagt: "Lady Die, wollen Sie auch einen Schluck von diesem ganz vorzüglichen Whiskey?" In dieser Sekunde hat der Fahrer den Mercedes längst um einen französischen Brückenpfeiler gewickelt. Der Glücksbringer findet quasi gar keine Zeit, um zu wirken.
Andere Fahrzeugmarkierungen reihen sich übrigens in diese Absurditäten nahtlos ein. So platzieren Lastkraftwagenfahrer häufig ein Namensschild an den unteren Rand Ihrer Windschutzscheibe. Für was soll das gut sein? Damit ich ihn sofort mit seinem Vornamen ansprechen kann? Damit ein Vertrauensverhältnis entsteht?
"Hallo, Klaus. Du hast gerade meine Frau überfahren." | |
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